Der wahre Fotoroman 1 [01|2020]

DER GROSSE BRUDER SIEHT DICH!

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Habt ihr euch auch schon immer gefragt was passieren würde wenn sich die visuellen Grausamkeiten von Facebook, Instagram und Co. überlebensgroß vor der eigenen Haustür materialisieren? Absurde Dystopie? Weitgefehlt, die Materialisierung visuellen Oberkills hat einen analogen Vorläufer: man nennt ihn Wahlkampf. Wenn man eines schönen Tages, nichtsahnend, der Fähre entsteigt und mit geradezu orwellscher Wucht vom Konterfei des ersten Bürgermeisters erschlagen wird, der proklamiert die ganze Stadt im Blick zu haben, ist man ruckzuck in der Realität des Jahres 1984, äh 2020, angekommen.

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Das hat selbst die Konkurrenz so überwältigt, daß sie sich, in vorauseilendem Gehorsam, gleich zum Fußvolk des großen Bruders stilisiert. Aber mal ehrlich Marcus, mit „c”, Weinberg, für einen Fotografen hätte es schon reichen können oder meinen sie wir sind visuell schon so abgestumpft, daß wir nicht merken würden das sie ein totkomprimiertes JPEG von Muttis Facebook-Seite einfach überlebensgroß aufblasen.

Ach ja, da gab es ja auch noch die Partei der Untoten, die uns mit überlebensgroßen Portraits in hipper Schwarz/Weiß-Optik — und ebenso hipper Lederjacke — davon überzeugen will, sie würde tatsächlich noch leben.

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Sorry, Frau von und zu Treuenfels, das geht mindestens so schief wie eine Ankündigung des ZDF „The Walking Dead” toppen zu wollen. Auch der Versuch der rockenden Leichen von Burg Treuenfels den uralten, bundesrepublikanischen Mythos der Mitte zu kannibalisieren ist zum Scheitern verurteilt. Magenta auf Gelb reißt es da auch nicht mehr raus, ist dieser Mythos doch ansich schon so blutleer, daß man sich daran nur noch die Zähne ausbeißen kann und wenn wir von „The Walking Dead” eines gelernt haben, ist es, daß man die Toten lieber ruhen lassen sollte — alles andere macht nur unnötig Streß.

Copyright R-M Diedrich