concrete poetry [serie 06|2019]

DEM HIMMEL SO NAH

„Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt ...”, so begann die Nationalhymne der DDR. In Anbetracht des Anblicks des ehemaligen FDGB-Ferienheims in Arendsee, mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ableben der DDR, kann dies auch als bittere Ironie gesehen werden. Dabei gab es tatsächlich einmal eine Auferstehung aus den Ruinen. Das 1927/28 als Stahlhelm Erholungsheim vom deutsch-nationalen, rechtsextremen Stahlhelmbund errichtete Ferienheim wurde nach dem zweiten Weltkrieg vom FDGB der DDR genutzt und in den 1970er Jahren massiv um- und ausgebaut. Von dieser Waschbetonoase der Arbeiterklasse blieb nach der vergeblichen Privatisierung und endgültigen Stilllegung Mitte der 1990er Jahre nur noch eine Ruine übrig, die dem langsamen Verfall preisgegeben wurde. Der Titel der Serie, „dem Himmel so nah”, nimmt sowohl Bezug auf die unbeschwerte Emotionalität der Ferienerlebnisse, die in diesem Raum gefaßt wurden, als auch auf die Realisation, daß die Selbstaufgabe des eigenen Staates für die vermeintlichen „Segnungen des Kapitalismus”, viele Illusionen zerstören mußte.

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